Otto Hahn der Namensgeber unserer Schule

Ständig sprechen wir alle vom „Otto-Hahn-Gymnasium“, auch dann, wenn wir nur die Abkürzung „OHG“ verwenden. Wer war der Namensgeber unserer Schule? Otto Hahn (1879–1968) zählt zu den bedeutendsten Naturwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts. Mehrfach wurde er für den Chemie-Nobelpreis vorgeschlagen und erhielt diesen Preis für die Entdeckung und den radiochemischen Nachweis der Kernspaltung des Urans (1944, überreicht 1945). Damit gilt Otto Hahn auch als ein Pionier der Radioaktivitätsforschung, die  – wie wir heute wissen – ein nahezu apokalyptisches Potential in sich birgt. Die fürchterlichen Folgen des Einsatzes der Kernenergie (auch als Nuklearenergie oder Atomenergie bezeichnet) bei den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki am 06. und 09.08.1945 haben Otto Hahn beschäftigt. Er gehörte schon zuvor und erst recht danach zu den schärfsten Kritikern der militärischen Nutzung der Kernspaltung. Seine Besorgnis, mit seiner Entdeckung eine Entwicklung mit furchtbaren Folgen für die Menschheit angeschoben zu haben, hat Hahn zeit seines Lebens nicht mehr losgelassen.

Otto Hahn Namensgeber des OHG Gifhorn

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Otto Hahn einer der angesehensten Persönlichkeiten in Europa und einflussreicher Vorkämpfer für eine globale Völkerverständigung und internationale Entspannungspolitik. In diesem Zusammenhang wurde er auch für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Hahn war Träger zahlreicher nationaler und internationaler Orden und Medaillen, u.a. des britischen Verdienstordens Order of the British Empire und des Bundesverdienstkreuzes.


Hahns Erfolge als Wissenschaftler sind eingebettet in die Forschungen, Entdeckungen und Erklärungen anderer Wissenschaftler, deren Anteile an der Aufklärung des Uranspaltungsprozesses  und an der Erkenntnis der durch ihn hervorgerufenen ungeheuren Energieentwicklung unbestritten sind. Hier sind vor allem zu nennen: Lise Meitner, Felix Straßmann und Otto Frisch. Vielfach ist man heute der Ansicht, dass die Schwedische Akademie auch Lise Meitner oder allen Genannten den Nobelpreis hätte zusprechen müssen, eine Überlegung, die die Akademie damals auch erwogen, aber verworfen hatte.

Hahns guter Ruf nahm Schaden, als darauf verwiesen wurde, dass er im Ersten Weltkrieg am Einsatz von Giftgas beteiligt war. Hahn selbst hatte sich bereits 1968 dazu geäußert. Er hatte zunächst seine Bedenken gegen solche Einsätze geäußert, indem er die Ansicht vertrat, dass die Verwendung giftiger Gase im Krieg gegen die Haager Konvention verstoße. Aber er ließ sich – wohl mit Hilfe der vorgeblich humanen Begründung, Gas verkürze den Krieg, erhalte also Menschenleben – überreden. Hahn beschreibt in seinen Erinnerungen selbstkritisch die Beschämung, aber auch die emotionale Abstumpfung durch die Fronterlebnisse.[1]


Der Namensgeber einer Schule muss kein Heiliger sein. Heilige sind so selten wie weiße Raben. Der Namensgeber einer Schule sollte aber Vorbild sein können. Man kann die Leistungen und das Engagement von Otto Hahn nicht von seinen möglicherweise begangenen Fehlern trennen, aber man kann sie davon unterscheiden und beides in den Blick nehmen. Otto Hahn kann dann insofern ein Vorbild sein, als er zunächst seiner Berufung als Wissenschaftler mit Leidenschaft und Gründlichkeit nachgegangen ist. Er kann es aber vielleicht auch darin sein, dass er sich in der Ausnahmesituation des Krieges offenbar persönlich begangene Fehler eingestand und aus ihnen gelernt hat, um anschließend umso mehr seiner Verantwortung als Wissenschaftler auch im politischen Bereich gerecht zu werden.


„Unsere Welt ist uns nicht mit einem Beipackzettel geliefert worden.“[2] Unser Denken und Handeln wird daher immer auch vom Prinzip „Trial & Error“ (Versuch und Irrtum) bestimmt sein. Und Menschen können versagen, obwohl sie es wahrscheinlich besser wissen. Sie können aber aus Erfahrungen lernen. Und in undurchsichtigem Gelände sollte man vielleicht besser innehalten oder Schritte doch sehr behutsam gehen."

Lebensdaten von Otto Hahn

1879

Otto Hahn wird am 08. März in Frankfurt a. M. geboren.


1897

Studium der Chemie in Marburg und München. Promotion


ab 1904

Forschungstätigkeit in London (bei William Ramsay), Montreal (bei Ernest Rutherford) und Berlin


1905–1921

Entdeckung zahlreicher Isotope (Nuklide), z. B. des Mesothoriums I (Radium 228)


1907

Habilitation in Berlin. Beginn der Zusammenarbeit mit Lise Meitner


1909

Nachweis des radioaktiven Rückstoßes


1910

Mitglied der neu gegründeten internationalen Radiumstandard-Kommission in Brüssel. Ernennung zum Professor


1912

Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin. Hahn wird Leiter der Abteilung für Radioaktivität


1913

Hochzeit mit Edith Junghans


1917

Entdeckung des Elements Protactinium


1921

Entdeckung der Kernisomerie


1922

Geburt des Sohnes Hanno


1928–1945

Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin


1933–1945

Hahn widersetzt sich erfolgreich der Aufforderung zur Mitgliedschaft in der NSDAP. 1933 Verweigerung der Unterzeichnung des Bekenntnisses deutscher Professoren zu Adolf Hitler; aus Protest gegen die Entlassung jüdischer Kollegen, darunter Lise Meitner, Austritt aus dem Lehrkörper der Berliner Universität 1944.


1937

Entdeckung des Uranisotop 239


1938

Da Lise Meitner als Jüdin Deutschland verlassen muss, vollendet Hahn mit Fritz Straßmann den berühmt gewordenen Versuch, bei dem erstmals die Spaltung des Uran-Kerns durch Neutronen gelingt. Bei dieser Kernspaltung werden bisher nicht vorstellbare Mengen von Energie freigesetzt. Damit sind die Voraussetzungen zur technischen Nutzung der Kernenergie, aber auch zur Herstellung von Atomwaffen gelegt.


1939–1945

Während des Zweiten Weltkrieges konzentriert sich die Arbeit Otto Hahns auf die Isolierung und Identifizierung neuer unbekannter Atomarten, die bei der Urankernzertrümmerung als radioaktive “Spaltprodukte” entstehen.


1945

Internierung in England, gemeinsam mit anderen deutschen Physikern


1948–1960

Präsident der “Max-Planck-Gesellschaft“ zur Förderung der Wissenschaften. In dieser Eigenschaft fordert Hahn immer wieder ein Atomwaffenverbot.


ab 1956

Mitglied des Präsidiums der Deutschen Atomkommission für friedliche Nutzung der Atomenergie.


1957

Unterzeichnung der Göttinger “Erklärung der 18 Atomwissenschaftler” gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen


1959

Gründung des Hahn-Meitner-Instituts für Kernforschung in Berlin


1960

Hahns Sohn Hanno und seine Schwiegertochter sterben bei  einem Autounfall


1964

Stapellauf der „Otto-Hahn“, des ersten deutschen Handelsschiffes mit nuklearem Antrieb


1968

Otto Hahn stirbt am 28. Juli in Göttingen.

Würdigungen

Auf der Wikipedia-Seite zu Otto Hahn (https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Hahn, 03.09.2016) werden Zitate aus einem Buch seines einzigen Enkels, Dietrich Hahn, wiedergegeben, die Otto Hahn würdigen [Dietrich Hahn (Hrsg.): Lise Meitner, Erinnerungen an Otto Hahn. S. Hirzel Verlag. Stuttgart 2005, S. 1–4]. Eine Auswahl ist hier notiert:


Albert Einstein, Princeton (USA), 1949, über Hahns Wirken von 1933 bis 1945:

„Einer der Wenigen, die aufrecht geblieben sind und ihr Bestes taten während dieser bösen Jahre.“


Lise Meitner, Stockholm, 1949:

„Otto Hahn verstand es, mit den einfachsten Hilfsmitteln an die schwierigsten Probleme heranzugehen, geleitet von seiner ungewöhnlichen intuitiven Begabung und seinen ebenso ungewöhnlichen, vielseitigen chemischen Kenntnissen. Wie oft habe ich nicht in den langen Jahren unserer Zusammenarbeit gesehen, dass er Probleme, die der Physiker sich durch mathematische Formeln klar macht, rein intuitiv und anschaulich erfasst hat.“


Carl Friedrich von Weizsäcker, Starnberg, 1988:

„Die Menschheit kann nicht auf die Dauer zugleich mit der Kenntnis der Kernspaltung und der Institution des Krieges leben. Dieses Wissen beschattete die letzten Lebensjahrzehnte Otto Hahns. Es bewusst getragen zu haben, war sein Beitrag zum unerlässlichen Bewusstseinswandel unserer Zeit. Es war sein Geschenk an die Menschheit.“

Literatur

Literatur

 

Peter Frölich, 09/2016

[1] Vgl. Otto Hahn: Mein Leben. Mensch und Wissenschaftler unserer Zeit. Verlag Bruckmann. München 1968, S. 111 – 132.

[2] Peter Knauer: Handlungsnetze. Über das Grundprinzip der Ethik. Verlag Books on Demand. Frankfurt a. M. 2002, S 11.


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